Gelegentlich werde ich gefragt, wie es sich denn anhört, wenn man schwerhörig ist und Hörgeräte trägt. Es ist schwierig das genau in Worten zu beschreiben. Daher erkläre ich das in diesem Artikel in Form von Bildern.
Ein Mensch mit normalem Gehör hört eine ganze Bandbreite von Tönen, in verschiedener Tonlage (von tief bis hoch) und in verschiedener Lautstärke (von leise bis laut). Wenn wir das auf Bilder übertragen so sieht man als Mensch Bildpunkte in verschiedenen Farben (von dunklen Farben wie dunkelblau bis hellen Farben wie zitronengelb) und in verschiedener Intensität (von pastellfarben rosa bis durchdringend grün). Der Einfachheit halber konzentrieren wir uns für den Rest des Artikels auf das Sehen einer Farbe, in diesem Fall schwarz, bzw. Graustufen.
Ein Mensch der alle Intensitäten oder „Lautstärken“ von schwarz sehen kann, der sieht quasi ein Graustufenbild, in dem es Bildpunkt von ganz weiß über grau zu ganz schwarz gibt. Zum Beispiel dieses hier:
Hier sehen normal-sehende (bzw. hörende) Menschen die volle Bildinformation. Das beinhaltet zum einen die beiden schwarzen Kätzchen im Vordergrund, aber auch die gemusterte Decke im Hintergrund. Auf das Hören übertragen würde das heißen, dass wir Geräusche hören können, wo wir sowohl die Vordergrundgeräusche, z.B. jemand der mit uns spricht, als auch die Hintergrundgeräusche, z.B. einen zwitschernden Vogel, hören können.
Wenn man nun einen Teil seines Hörvermögens verliert, dann nehmen wir einen Teil dieser Bandbreite von ganz weiß bis ganz schwarz nicht mehr vollständig war. Bei einem Hörverlust von z.B. 50%, würden wir nur noch die Bildpunkte wahrnehmen, die mittelgrau bis schwarz sind. Das sind also die Teile des Geräusches die mittellaut bis ganz laut sind. Alles darunter nehmen wir nicht mehr wahr.
Auf das Bild bezogen, sähe es so aus.
Hier ist alles unter 50% grau nun weiß. Das macht das ganze Bild schon sehr hell. Wir können die Kätzchen im Vordergrund noch sehr gut sehen, aber im Hintergrund ist fast alle Information verschwunden. Die Strukturen der Decke sind fast nicht mehr erkennbar.
Man muss dazu sagen, dass das in diesem Bild aber noch relativ gut aussieht und immer noch als ein niedliches Katzenbild klar wahrgenommen werden kann. Allerdings trügt der Schein hier, denn die weißen Bildpunkt sind eigentlich nicht als weiß erkennbar, sondern einfach gar nicht da, als wären sie z.B. transparent. Um klar zu machen, wie viel Bildinformation hier fehlt, habe ich den Bereich statt weiß einmal pink-violett schraffiert. Das sieht dann so aus:
Jetzt wird schon klarer, daß wirklich sehr viel Information des Bildes einfach nicht mehr da ist. Große Teile sind hier pink-violett.
Was passiert nun, wenn man Hörgeräte bekommt? Vereinfacht gesprochen nehmen Hörgeräte mit ihren Mikrophonen die komplette Tonbandbreite von ganz leise bis ganz laut auf und übertragen diese Töne dann durch den Soundprocessor auf den von dir noch hörbaren Bereich. Bei einem Hörverlust von 50% heißt daß, daß die 100% der ursprünglichen Bandbreite auf die 50% des Resthörvermögens übertragen werden. Das heißt insbesondere, daß die leisen Töne mittel-laut gemacht werden, die mittellauten Töne ein wenig lauter und die lauten Töne einfach laut bleiben.
Übertragen auf das Bild wiederum bedeutet das ähnliches. Die weißen Bildpunkte werden mittelgrau, die mittelgrauen etwas dunkler grau und die schwarzen Punkte bleiben schwarz. Das sieht dann so aus:
Wir sehen an diesem Bild folgendes: Nun ist alle Information irgendwie wieder da. Wir können sowohl die Kätzchen im Vordergrund erkennen, als auch wieder die Strukturen der Decke im Hintergrund. Aber wir sehen auch, daß das Bild insgesamt sehr dunkel geworden ist. Das kommt daher, weil wir ja nun nur noch Bildpunkt von mittelgrau bis ganz schwarz haben.
Obwohl jetzt wieder alle Information vorhanden ist, ist es trotzdem nicht so einfach das Bild zu „verstehen“. Die schwarzen Katzen heben sich jetzt nicht mehr so gut vom ehemals hellen Hintergrund ab. Das macht es für unser Gehirn anstrengender die Vordergrundinformation von den Hintergrundinformationen zu trennen.
So ist es übrigens auch beim Hören. Hörgeräte sorgen dafür, dass das was wir durch sie hören wieder (fast) alle Toninformationen enthält, aber alles in dem Bereich von mittellaut bis ganz laut bei uns ankommt. Das führ dazu, dass auch hier Vordergrundgeräusche und Hintergrundgeräusche naher aneinander rücken und somit schlechter auseinander zu halten sind. Auch hier muss unser Gehirn dann mehr arbeiten um die Geräuschinformation zu versehen.
Das ist der Grund, warum Hören mit Hörgeräten auch immer noch anstrengender ist, als das Hören als Mensch ohne Hörverlust. Besonders Situationen mit vielen Hintergrundgeräuschen machen deshalb vielen Menschen mit Hörgeräten immer noch Probleme. Es ist wichtig für unsere Umgebung zu lernen, dass Hörgeräte hier nicht alle Probleme lösen können. Wir Hörgeräteträger sind immer noch darauf angewiesen, dass Hintergrundgeräusche eher vermieden werden, damit es für uns nicht so anstrengend oder überhaupt möglich ist, das gehörte Geräusch in Verständnis umzuwandeln.
Nun könnte man sagen, da das Bild mit den Kätzchen wo fast der ganze Hintergrund „weg“ war, dass es vielleicht besser wäre wenn Hörgeräte nicht einfach alle Informationen übertragen, in vielen Fällen werden die Hintergrundgeräusche ja nichts zum Verständnis beitragen. Das ist keine schlechte Idee, aber das funktioniert leider nur, wenn Vorder- und Hintergrundinformation klar getrennt sind, wie in diesem Katzenbild.
Wenn wir uns nun ein anderes Bild anschauen, bei dem die gleiche Prozedur gemacht wurde, dann erhält man dieses hier:
Dieses Bild ist schon viel schwerer „zu verstehen“, weil hier Hinter- und Vordergrundinformation sehr nah aneinander sind. Auf diesem Bild ist ein Häschen vor einem Gebüsch. Man muss schon sehr gut hingucken um es zu erkennen.
Das ist das Bild des Häschens „ohne Hörgeräte“. Hier ist das Häschen selbst ganz weiß, das heißt, wir würden diese Bildpunkte gar nicht wahrnehmen. Damit ist das wichtigste Element in diesem Bild einfach verschwunden. Auch wenn das Bild oben „mit Hörgeräten“ nicht ideal ist, enthält es immerhin noch das Hauptmotiv.
Hier ist übrigens das Original Graustufen-Bild des Hasens zum Vergleich:
Wir lernen also hier, dass wenn Hörgeräte einfach den ganzen Bereich auf den hörbaren übertragen, die Situation nicht perfekt ist und wir weit davon entfernt sind wieder „normal“ zu hören.
Es ist also mit Hörgeräten nicht immer leicht Vorder- und Hintergrundgeräusche zu unterscheiden. Das hat auch die Hörgeräte-Industrie erkannt und deshalb machen Hörgeräte nicht nur diese einfache, lineare Übertragung auf den restlichen hörbaren Bereich. Sie machen in der Tat viel mehr (zumindest je nach Leistungsklasse) um die Hintergrundgeräusche zu identifizieren und zu dämpfen.
Diese Eigenschaften von Hörgeräten habe ich in anderen Artikeln behandelt:
Ich hoffe diese Darstellung von Hörverlust hat dir geholfen Hörverlust und das Hören mit Hörgeräten besser zu verstehen.
Das ist eine großartige Idee, Hörbehinderung mit diesen Bildern / Graustufen zu veranschaulichen!
Vielen Dank dafür!
Denn es ist wirklich schwer Schwerhörigkeit hörenden Menschen zu vermitteln.
Gleichzeitig veranschaulicht mir deine Darstellung der Schwerhörigkeit auch nochmals meine Höreinschränkung und ich verstehe sie so selber auf eine andere Weise!
Ich bin seit 59 Jahren links gehörlos und seit zwei Jahren rechts noch zu 30% hörend .
Seit dieser Woche habe ich eine Cros Versorgung.
Und durch Zufall bin ich auf deine Seite gestoßen.
Schöne Grüße von Rosemarie
Ich finde diesen Blog auch super klasse und hilfreich!
Es ist manchmal so schwierig, anderen Menschen zu erklären, was ich höre und damit wird es viel klarer.
Liebe Grüße und danke für die tollen Impulse
Anja
Eine spannende Beschreibung, welche die Feinheiten der Schwerhörigkeit sehr gut umschreibt! Vor allem, dass man mit Hörgeräten nicht automatisch so gut wie ein Normalhörender hört.
Für eine grobe und schnelle Auskunft zitiere ich immer einen meiner Akustiker. Der hat mir nach einem Hörtest mal erzählt, dass ich ohne technische Unterstützung bei 90 Dezibel fast 100% Hörverständnis habe. Verbunden mit der Info, dass 90 Dezibel der Lautstärke eines Presslufthammers in 5m Entfernung entsprechen, sorgt das bei den Allermeisten dafür, dass sie ein recht gutes Verständnis davon haben, wie „taub“ ich bin 😉
Das finde ich auch, eine tolle Idee von Ihnen! Die Darstellung mit Schwäche und mit Hörgerät sind toll. Es ist manchmal wirklich schwer richtig zu verstehen, wie sich das anfühlen könnte.
Einmalig, dieser Artikel. Hören in Bildern. Das werde ich ausdrucken, um es meinen Nächsten zu zeigen. Einfach erklären ist so schwierig. Nun mit Ihrer Hören-Sehen-Erklärung ist es viel leichter. Eine tolle Idee.
Vielen Dank dafür und für all Ihre interessanten Artikel immer wieder. Ich lese diese sehr gerne.
Alles Gute Ihnen und weiter so!
Margrit Etterlin