Einen guten Akustiker zu finden ist nicht einfach. Diese Artikelreihe hilft dir mit ein paar Kriterien bei der Auswahl. Teil 1 beschäftigte sich mit dem Thema Erreichbarkeit.
In diesem zweiten Teil geht es um das Zwischenmenschliche, sozusagen die Chemie zwischen dir un deinem Akustiker. Ich halte es für eins der wichtigsten Kriterien, auch wenn es natürlich selten möglich ist, das vor dem ersten Besuch einschätzen zu können.
*Ich verwende im folgenden der Einfachheit halber den Begriff Akustiker für Menschen jedweden Geschlechtes die die für diesen Beruf nötige Ausbildung genossen haben.
Warum das Zwischenmenschliche so wichtig ist
Wenn du bisher kein Hörgeräte hattest, denkst du jetzt vielleicht: Warum betont die so dass das Zwischenmenschliche so wichtig ist? Ich geh da halt hin, zeige dem meine Verordnung und kaufe ein Gerät. So ähnlich wie bei einer Brille.
So einfach ist das leider nicht. Folgendes sollte dir klar sein:
- Du wirst mit diesem Menschen viel Zeit verbringen.
- Du vertraust ihm einen wichtigen Teil deines Lebens an, nämlich deine Fähigkeit zur Kommunikation.
- Wie gut du mit den Hörgeräten hörst, hängt davon ab wie gut sie eingestellt sind und das hängt davon ab wie gut du deinen Akustiker deine Bedürfnisse klar machen kannst.
- Du wirst gestresst aufsuchen, nämlich wenn mal wieder was kaputt ist.
Aus all diesen Gründen ist es wichtig, dass du gut mit dem kannst.
Zeit
Du wirst viel Zeit beim Akustiker verbringen. Und wer verbringt schon gerne viel Zeit mit Leuten wo die Chemie nicht stimmt. Um das etwas zu konkretisieren wie viel Zeit es wirklich ist, bedenke folgende Schätzung:
- Du kaufst deine Hörgeräte (normalerweise, in Deutschland) für einen Zeitraum von 6 Jahren. Ab dem Kauf ist der Akustiker also verpflichtet sich 6 Jahre um dich zu kümmern, obwohl er nur am Anfang mit einem dicken Batzen Geld für die Geräte und einer Pauschale bezahlt wird. Innerhalb der 6 Jahre den Akustiker zu wechseln ist möglich, aber nicht so einfach, weil der neue ja dann diesen Batzen Geld nicht bekommen hat.
- Erstmal machst du nochmal einen ausführlichen Hörtest: 1 Termin.
- Wenn man neue Hörgeräte kaufen möchte, darf man normalerweise mehrere Modelle (meiner Erfahrung nach so zwischen 3-5 verschiedene) jeweils 1-2 Wochen testen. Jedes Gerät muss zumindest grob an dich angepasst werden, also rechne mal 1-2 Termine pro Gerät: ca. 4 Termine.
- Dann entscheidest du dich für ein Gerät und dann fängt der Spaß erst an. Jetzt sollte es nicht nur grob an deinen Hörverlust angepasst werden, sondern nun sollte es so gut wie nur möglich angepasst werden, schließlich möchtest du das beste aus den Geräten für dich herausholen. Finetuning dauert aber auch mindestens 3 Termine, wenn nicht sogar mehr.
- Unter Umständen bekommst du Otoplastiken (an deinen Gehörgang angepasste Ohrstücke), für die Abdrücke gemacht werden müssen. Wenn die Ohrstücke fertig sind und nicht perfekt passen müssen sie nochmal korrigiert werden: 2 Termine.
- Am Ende des Kaufes erfolgt nochmal ein Hörtest, hauptsächlich um der Versicherung auch zu „beweisen“, dass das Gerät was der Akustiker dir verkauft auch dein Hörproblem löst. Da geht nochmal ein Termin für drauf.
- Dann bist du erstmal versorgt, aber mindestens einmal im Jahr solltest du dich mal beim Akustiker blicken lassen, damit der mal nachmisst ob die Einstellungen noch passen oder ob etwas nachjustiert sein muss: 5 Termine.
- Und dann kommt noch der ganze unvorhergesehene Teil dazu. Hörgeräte gehen auch mal kaputt oder man verliert so ein Schirmchen oder ein Accessoire dazu und dann muss man wieder hin. Ich würde auch hier mindestens 2 Termine im Jahr, also weitere 10 Termine einrechnen.
Das sind insgesamt 26 Termine und das ist noch optimistisch geschätzt. Du siehst, du wirst also sehr viele Stunden beim Akustiker verbringen, daher suche dir einen guten aus.
Anpassung and eine Bedürfnisse
Um Hörgeräte gut auf einen Hörverlust einzustellen, braucht es mehrere stufenweise Anpassungstermine. Die ersten Einstellungen wird die Software des Akustikers aufgrund des Hörtestes machen, den ihr zu Beginn gemacht habt. Dann trägst du die Geräte eine Woche und am Ende erzählst deinem Akustiker auf welche Situationen die Geräte schon gut oder noch nicht so gut angepasst sind. Du wirst ihm berichten wann es zu laut oder zu leise war, wann es fiepte oder blechern klang, wann du Leute gut verstanden hast und wann es eine Katastrophe war. Dein Akustiker versucht möglichst gut aus dir rauszukriegen was das Problem war, ändert die Einstellungen entsprechend und schickt dich eine weitere Woche hinaus in die Welt.
Ein guter Akustiker schafft es die Geräte so einzustellen, dass sie dir in allen Lebenslagen helfen. Ich würde behaupten, dass er es um so besser kann, wenn er dich ein wenig kennen lernt. Denn es kann schon sein, dass er dir danach die passenderen Geräte, Accessoires und Geräte-Einstellungen empfehlen kann.
Dinge die hierfuer relevant sind, sind zum Beispiel:
- was du für einen Beruf ausübst,
- was du für Hobbies hast,
- ob und welchen Sport du betreibst,
- wie sehr du Musik magst und/oder auf Konzerte gehst,
- ob dir Fernsehen wichtig,
- ob du viel und oft reist und das in fremdsprachige Länder und ob
- du viel telefonierst (oder es gerne würdest).
Damit meine ich nicht, dass du ihm wie einem Therapeuten dein Herz ausschütten musst, aber es wäre schon gut, wenn du dich wohl genug bei ihm fühlst, die oben genannten Dinge zu erzählen.
Physische Nähe zu deinen Ohren
Von der psychologischen Nähe abgesehen, sollte dir bewusst sein, dass dir dein Akustiker auch physisch näher kommen wird. Zumindest so nach wie das Anpassen der Geräte an deine Ohren erfordert. Dazu gehören folgende Situationen:
- In deinen Gehörgang zu gucken wie der geformt ist, ob etwas verstopft ist oder ob die Haut irritiert ist.
- Falls du Otoplastiken wünschst, um Abdrücke von deinem Gehörgang zu machen.
- Bei der Anpassung der Hörgeräte zu kontrollieren ob sie richtig sitzen um gegebenenfalls die Ohrstücke oder die Schlauchlänge noch zu ändern.
Und da keiner gerne Leute nah an sich ranlässt, wo das Zwischenmenschliche nicht so stimmt, ist dies ein weiterer Punkt warum man sich sympathisch sein sollte.
Im Notfall
Es wird im Laufe der Zeit immer mal passieren, dass deine Hörgeräte oder die Accessoires den Dienst versagen. Das passiert natürlich immer dann, wenn man es am wenigsten braucht.
Wenn dir zwei Tage vor deiner wichtigen Dienstreise dein Hörgeräte in eine heiße Tasse Kaffee gefallen ist, dann bist du vielleicht etwas weniger gestresst, wenn du deinem Akustiker vertraust dass er das schon fixen wird. Selbst wenn er es nicht reparieren kann, dann führt die passende Chemie zwischen euch vielleicht wenigstens dazu dass er dir als Ersatzwagengerät einen „Porsche“ und keinen „Traktor“ leiht.
Fazit
Hörgeräte sind meistens fürs Leben und jedes einzelne Paar trägt man einige Jahre. Es hilft mit seinem Akustiker gut auszukommen, denn
- du wirst viel Zeit bei ihm verbringen,
- er dir besser helfen kann, wenn du ihm ein wenig aus deinem Leben erzählst,
- und du im Notfall jemanden haben willst, der dein Problem souverän löst.
Mein letzter Rat zu diesem Thema ist, dass mit der Zwischenmenschlichkeit ernst zu nehmen. Bevor du die Geräte wirklich gekauft und bezahlt hast, kannst du immer aufstehen und gehen. Ich habe aus solchen Gründen schon Akustiker gewechselt und es war immer zum guten.
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