Die Unbehaglichkeitsschwelle in Bildern

Vor ein paar Wochen habe ich in Bildern erklärt, wie Schwerhörigkeit sich „anhört“, bzw. „aussieht“, besonders wenn sie mit Hörgeräten versorgt ist: Schwerhörigkeit in Bildern. Das Beispiel in dem Artikel war allerdings etwas vereinfacht. Hier ist nun eine Fortsetzung des Artikels, welcher noch auf eine Besonderheit unseres Hörens eingeht. In einem früheren Artikel habe ich bereits von der Unbehaglichkeitschwelle erzählt. Wie sieht das nun zusammen aus? Wie kann man in den Bildern mit denen ich Schwerhörigkeit visualisiert habe, die Unbehaglichkeitsschwelle darstellen? Das siehst du in diesem Artikel.

Im Artikel Schwerhörigkeit in Bildern, haben wir gelernt, dass Hörgeräte den gesamten Bereich der Lautstärke unserer Umgebung nehmen und sie auf den Bereich des Resthörens übertragen. Das habe ich mit folgendem Diagramm dargestellt:

Ein Hörgeräte welches den vollständigen Graustufenraum auf die dunklere Hälfte des Graustufenraumes überträgt
Ein Hörgeräte welches den vollständigen Graustufenraum auf die dunklere Hälfte des Graustufenraumes überträgt

Was hier vor allem auffällt, ist, dass hier die leisen Umgebungsgeräusche (weiß) auf den mittellauten Bereich (grau) übertragen (verstärkt) werden. Umgebungsgeräusche die schon laut (schwarz) sind, werden aber nicht im gleichen Maße verstärkt, denn sie sind ja schon laut. Das sehen wir hier, weil der untere Pfeil nicht die gleiche Richtung hat wie der obere, sondern einfach nur waagerecht von links nach rechts geht. Warum ist das so?

Der Grund ist, dass Hörgeräte eben nicht einfach alle Töne gleich viel verstärken. Es werden nur die leisen Töne lauter gemacht, die mittellauten Töne etwas lauter und die lauten bleiben so wie sie sind. Warum machen Hörgeräte das so? Wäre es nicht viel einfacher alles gleich viel zu Verstärken? In der Tat ist es schwieriger ein Hörgerät zu bauen was für jede Lautstärke etwas anderes macht als eines welches für jede Lautstärke das gleiche macht. Als Hörgeräte ganz neu waren, haben sie genau das gemacht, denn damals war die Technik noch gar nicht so fortgeschritten und damit die Gerate nicht so „klug“ wie sie es heute sind.

Würden Hörgeräte auch heute noch alle Geräusche in gleichem Maße verstärken, so würden sie die lauten Geräusche noch lauter machen. Das ist allerdings sehr unangenehm, denn die meisten Menschen haben eine Grenze, ab der sie ein Geräusch als zu laut empfinden. Diese liegt bei den meisten Menschen bei ca. 110 Dezibel. Alles darüber hinaus empfinden sie als zu laut, geradezu schmerzhaft laut. Wenn man nun ein Hörgerät so einstellt, dass es sich ständig zu laut anfühlt, dann werden wir es nicht besonders lange benutzen. Würde man diese Situation in einem Bild beschreiben, so sähe das so aus:

Wie Hörgeräte NICHT verstärken: von einem Balken der von weiss bis schwarz geht, gehen jeweils am Anfang und am Ende ein Pfeil schräg rechts nach unten. Der obere Pfeil endet im mittelgrauen Bereich. Der untere Pfeil endet in einem roten Bereich.
Wie Hörgeräte NICHT verstärken: die lauten Geräusche werden nicht noch lauter gemacht.

Okay, wir haben also verstanden, dass es gut ist, dass heutige Hörgeräte so klug sind uns nicht in die Ohren „zu schreien“. Sind wir jetzt fertig? Nein, noch nicht ganz.

Wie im Artikel über die Unbehaglichkeitschwelle beschrieben, gibt es eine Besonderheit bei Menschen mit Schwerhörigkeit. Viele Menschen würden erwarten, dass ein Geräusch etwas lauter sein muss, damit wir Schwerhörige es überhaupt wahrnehmen und dass es deshalb auch noch lauter werden kann, bis wir etwas als unangenehm laut empfinden. Dem ist aber interessanterweise nicht so. Zwar ist es so, dass Geräusche lauter sein müssen, damit wir sie überhaupt wahrnehmen, aber paradoxerweise empfinden wir laute Geräusche auch schneller als unangenehm. Uns werden sie also eher unangenehm als hörenden Menschen.

Übertragen auf die Bilder würde das bedeuten, dass wir sehr dunkles Grau bis Schwarz gar nicht gerne angucken, weil es uns in den Augen (bzw. Ohren) weh tut. Und das obwohl Hörende mit dieser Schwärze überhaupt kein Problem haben. Im Bild stellen wir das so dar, dass der unangenehme dunkle Teil nun rot ist:

Ein Hörgerät überträgt das ganze Graustufenspektrum (Balken links) auf den dunkleren Teil des Spektrums (Balken rechts). Da zu dunkle Farbe aber unangenehm ist, ist der untere Teil des rechten Balkens rot markiert.
Wenn Hörgerät laute Geräusche genauso laut lässt, werden sie von Schwerhörigen oft als unangenehm (hier rot) empfunden.

Übertragen auf die Katzenbilder aus dem ersten Artikel heißt das, dass alles was zu dunkel ist im Bild nicht schwarz, sondern rot ist. Das sind dann die Teile des Bildes die wir deshalb gar nicht mehr anschauen möchten:

Zwei Katzen auf einer Decke. Weil das Schwarz der Katzen zu dunkel ist (und damit schmerzhaft), ist es hier rot dargestellt.
Das Schwarz der Katzen ist unangenehm dunkel (laut) und daher hier rot dargestellt.

Inbesondere heißt das, dass dein Akustiker deine Hörgeräte so einstellen sollte, daß sie möglichst gar nicht so laut werden dass sie in den „roten Bereich“ geraten. Das macht das ganze für das Hörgerät nun noch schwieriger, denn nun müssen leise Geräusche lauter gemacht werden, aber ganz laute Geräusche müssen sogar leiser gemacht werden. Im Diagramm sieht das so aus:

Die Übertragung der Hörgeräte angepasst: der untere Pfeil geht nun nicht waagerecht nach rechts, sondern leicht nach oben.
Bei einer veränderten Unbehaglichkeitsschwelle verstärken Hörgeräte die lauten Töne nicht, sondern dämpfen sie ein wenig.

Übertragen auf das Katzenbild heißt das, dass das Bild gar nicht mehr ganz so dunkel sein darf, sondern die dunkelsten Teile heller werden müssen. Damit wird der Graustufenbereich, den wir noch nutzen dürfen noch kleiner als er sowieso schon war. Das ganze sieht dann so aus:

Das Katzenbild bei dem nun die dunkelsten  Bildpunkte grau statt tiefschwarz sind.
Das Katzenbild bei dem nun die dunkelsten Bildpunkte grau statt tiefschwarz sind.

Die beiden ehemals tiefschwarzen Katzen sind jetzt nur noch dunkelgrau. Wir sehen auch langsam, dass das alles nicht mehr so schön aussieht, sondern die verschiedenen Grautöne nun noch näher aneinander liegen und somit alles noch „verwaschener“ aussieht. Wie schon im ersten Artikel beschrieben, haben wir nun alle nötigen Bild- (oder Geräusch-)Informationen, aber alles ist sehr nah aneinander und damit für unser Gehirn schwieriger zu verstehen. Nun ist alles noch ein Stück näher aneinander und somit unter Umständen noch schwieriger zu verstehen. Das ist aber der Preis dafür, dass es halt nicht unangenehm laut (oder rot) wird. Denn wenn uns unsere Hörgeräte weh tun würden, dann würden wir sie nie tragen.

Ich hoffe dir hat die Fortsetzung von Schwerhörigkeit in Bildern gefallen und es hat dir vielleicht ein wenig geholfen, deine Schwerhörigkeit besser zu verstehen.

4 Gedanken zu „Die Unbehaglichkeitsschwelle in Bildern

  1. Super erklärt.
    Ich beschäftige mich derzeit mit leichter Veränderung (Erhöhung) der Unbehaglichkeitschwelle in meinen HGs.
    Hatte die UHS aus Rücksicht meiner noch vorhandenen Sinneszellen immer recht niedrig gewählt.
    Jetzt im Durchschnitt ca. 5-10 dB höher, was noch weit weg ist von schmerzhaft.
    Ich „verstehe“ so besser, als vorher und es ist aber auch nicht unangenehm.

    Übrigens:
    Ich glaube, der letzte Satz im Artikel enthällt einen kleinen Fehler:
    „Das ist aber der Preis dafür, dass es halt nicht unangenehm laut (oder schwarz) wird.“

    Schwarz muss nach meinem Verständnis durch rot ersetzt werden?!

    LG,
    Ralf

  2. Auch hier, ein toller Beitrag zur Veranschaulichung! Vielen Dank für die Aufklärung zu Hörschwächen und Hemmschwellen! Die Darstellung für Hörgerät tragende Menschen sind einfach toll.

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