Rebranding von Hörgeräten

Was nützt Rebranding uns Kunden?

Der Begriff “Brand” kommt aus dem Marketing und heißt auf Deutsch “Marke”, also die Identität eines Produktes auf dem Markt (Name, Logo, Aussehen der Verpackung). “Rebranding” bedeutet, dass man einem Produkt, welches unter einer bestimmten Marke bekannt ist, eine neue Marke gibt und es dann unter dieser verkauft. Dieses Vorgehen ist nichts Neues in der Wirtschaft. In der Hörgeräte-Branche ist diese Praxis noch nicht so üblich, aber immer mehr im Kommen. Warum machen Firmen das und was nützt uns Kunden von Hörgeräten das?

Was ist Rebranding?

Rebranding kennen wir aus unserem Alltag eigentlich schon. Wenn du alt genug bist, dann erinnerst du dich vielleicht noch daran als aus “Raider” “Twix” wurde. Neulich erst wurde aus “Ebay Kleinanzeigen” einfach nur “Kleinanzeigen”. Das sind Beispiele von Rebranding, wo ein Produkt eine neue Marke bekam. In diesen Fällen verschwand allerdings das Original und es wurde nur noch die neue Marke geführt.

Eine andere Art des Rebrandings kennen wir von den Eigenmarken großer Supermarktketten. So verkauft Rewe Produkte unter der Marke “ja!” oder die Drogeriekette dm Produkte ihre Eigenmarke “balea”. Beiden ist gemein, dass weder Rewe noch dm wirklich diese Produkte produzieren, sie kaufen sie nur ein und stellen sie mit neuem Gewand in ihre Regale. Oft werden die Produkte nur für diese Supermärkte hergestellt, aber es ist nicht unüblich, dass dahinter eigentlich bekannte Marken stecken. Das heißt zum Beispiel, dass im gleichen Supermarkt die gleichen Kekse einmal unter dem Namen “Bahlsen” und einmal unter dem Namen der Eigenmarke zu kaufen sind – letztere meistens günstiger. Firmen machen so etwas unter anderem, um noch mehr Marktanteil zu erzielen. Nicht jeder kann oder will es sich leisten, die teureren Kekse zu kaufen, aber er ist für die Kekse der Eigenmarke empfänglich. Und so können die Firmen dann auch auf dem Discount-Markt noch ein paar Kunden (wenn auch vermutlich mit geringerer Marge) gewinnen. Ob dabei auch Abstriche bei der Rezeptur gemacht werden, darüber schweigen sich Hersteller meistens aus.

Rebranding von Hörgeräten

Was hat das ganze nun mit Hörgeräten zu tun? Die Branche der Hörgeräte-Industrie ist eigentlich relativ klein. Vergleicht man es mit Haushaltsprodukten wie Zahnpasta oder Marmelade, so gibt es bei Hörgeräten nur ein paar wenige, große Hersteller. Ihr habt ihre Markennamen wie Phonak, Oticon, Widex, Signia, Starkey und Resound vermutlich schonmal gesehen.

Auf dem Markt für Hörgeräte werden aber noch viel mehr Marken angeboten. Besonders Akustiker-Ketten, also eigentlich nur die „Händler“ von Hörgeräten und nicht die Hersteller, haben in den letzten Jahren angefangen, ihre eigenen Marken anzupreisen. Ihr habt sicherlich schon den Slogan “Ich habe ein Kind im Ohr” von der Kind-Kette gehört. Auch die Firmen Amplifon und Audibene verkaufen Hörgeräte von anderen Herstellern unter ihrem Namen. Mehr dazu was Audibene sonst so macht, erfahrt ihr in meinem Artikel Die Hörgeräte-Vertriebsmaschine Audibene

Vorteile von Rebranding für die Hersteller

Wie bereits angerissen, drehen sich die Vorteile von Rebranding für die Hersteller im Grunde immer um Marktanteile, so auch bei Hörgeräten.

  • Illusion der Auswahl. Durch Rebranding wird die Illusion geschaffen, dass du als Kunde mehr Auswahl hast, als es eigentlich auf dem Markt gibt. Das heißt, die Hersteller können mit den gleichen (oder sehr ähnlichen) Geräten in verschiedenen Markt- und Preissegmenten mehr Kunden erreichen als wenn sie sich nur auf eine Marke mit einem Ruf und in einem Segment beschränken.
  • Stückzahlen. Selbst wenn Rebranding erfordert, dass die Geräte und Verpackungen sich vom Original unterscheiden, kann man vom Produkt grössere Stückzahlen herstellen und damit die Kosten pro Stück senken.
  • Kundenrückgewinnung. Kunden nehmen manchmal von einer Marke Abstand nehmen, z.B. wenn sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen damit gemacht haben. Durch Rebranding bekommt der Hersteller quasi eine zweite Chance und kann so vielleicht Kunden zurückgewinnen – zumindest solange diese es nicht durchschauen.

Vorteile von Rebranding für die Händler

Das ganze Spiel von Rebranding würde natürlich nicht gemacht, wenn nicht auch etwas für die Händler, also die Hörakustik-Fachgeschäfte, herausspringen würde. Rebranding ist vor allem bei großen Ketten beliebt. Warum?

  • Die Geschäfte können sich auf ihre Kernkompetenz besinnen, nämlich das Verkaufen von Hörgeräten ohne selbst zum Hersteller werden zu müssen (was auch nicht einfach ist, denn die Entwicklung von Medizingeräten wie Hörgeräten fängt man nicht einfach mal so auf der grünen Wiese an).
  • Wenn die Ketten große Stückzahlen von den Herstellern abnehmen, können sie unter Umständen bessere Preise anbieten und somit selbst mehr Marktanteile auf dem Akustik-Fachgeschäft-Markt ergattern.
  • Nach außen betrachtet tritt das Fachgeschäft so auf, als wäre “alles aus einer Hand”, sowohl der Vertrieb als auch die Produkte selbst. Das macht es für manche Kunden attraktiv. Ähnlich wie manche Autofahrer ihren VW am liebsten zu einer VW-Werkstatt bringen anstatt zu einer, die alle Marken repariert.

Nachteile von Rebranding für uns Kunden

Bei uns Kunden fange ich mal mit den Nachteile an:

  • Rebranding verringert die Transparenz. Wenn ich mich nicht genau informiere (was als Kunde auch nicht immer einfach ist), dann kaufe ich quasi die Katze im Sack. Vielleicht wollte ich gar keine Geräte mehr von einer Marke und kriege sie übers Rebranding doch wieder untergejubelt.
  • Die Fehlersuche wird schwieriger. Je technisierter unsere Welt wird, desto mehr versuchen Menschen, technische Probleme erstmal selbst zu lösen. Wenn unser Mobiltelefon oder unsere Waschmaschine eine Macke hat, dann fragen viele von uns erstmal die Suchmaschine unserer Wahl so etwas wie “Pixel 3a Akku schnell leer” oder “Miele AC5 Error 123”. Oft findet man dann schon Hilfe – manchmal sogar auf den eigenen Webseiten der Hersteller oder zumindest in einem öffentlichen Forum, wo andere Kunden schon das gleiche Problem haben und oft hilfreiche Tipps haben. Die Hörgeräte-Industrie will glaub ich nicht wahrhaben, dass auch Menschen mit Hörgeräten so versuchen, ihre Probleme zu lösen. Das liegt zum einen daran, dass die lieben Herren und Damen Akustiker:innen eben nicht immer erreichbar sind, wenn man Fragen hat (siehe Wie findet man einen guten Akustiker? Teil 1: Erreichbarkeit) oder auch selbst oft von der Technik überfordert sind (siehe Wie findet man einen guten Akustiker? Teil 5: Technikkompetenz). Und wenn du als Hörgeräteträger nun im Internet nach Hilfe suchst, wirst du feststellen, dass du mehr Gleichgesinnte findest, die eine der großen Marken haben. Wenn du nur nach der Eigenmarke suchst, die du gekauft hast, dann entgehen dir in den Suchergebnissen hilfreiche Tipps, weil du eben nicht weißt welches Gerät von der ursprünglichen Marke du trägst. Das mit der Fehlersuche verwirrt sogar auch Akustiker, denn auch die schreiben manchmal verzweifelt in Internetforen “Weiss jemand was dieses Kind Gerät XZY unter der Haube ist?”
  • Loyalität. Rein psychologisch vermute ich auch, dass sich viele Kunden durch die Eigenmarken mehr an das Akustik-Fachgeschäft gebunden fühlen, wo sie es gekauft haben. Auch wenn man mit jedem beliebigen Gerät von einem Geschäft ins andere Wechseln kann (wenn man ein paar Schritte beachtet), so vermute ich aber, dass viele Kunden denken, dass sie mit ihren Amplifon-Geräten am besten in einer Amplifon-Filiale aufgehoben sind und somit ihrem Händler loyaler sind als sie es müssten.
  • Inkonsistenz sorgt für Verwirrung. Besonders nachteilig finde ich Rebranding, wenn es nicht zu Ende umgesetzt ist. Bei meinem kleinen Audibene-Experiment (siehe Die Hörgeräte-Vertriebsmaschine Audibene) habe ich Signia-Geräte getestet, die als Audibene-Geräte gebrandet waren. Dazu gehörte auch eine Handy-App, die ebenfalls mit der Audibene-Marke gebrandet war. Wenn man sich allerdings durch diese App klickte und in das Online-Benutzerhandbuch schauen wollte, wurde man zu einer Website geschickt, auf der man seine Marke auswählen musste. Dort gab es aber “Audibene” nicht zur Auswahl, sondern nur Signia und ein paar andere Optionen. Wenn ich als Kunde nun nicht weiss, dass meine Audibene-Geräte eigentlich Signia-Geräte sind, so ist mir der Zugang zum richtigen Benutzerhandbuch verwehrt.
Zwei Bildschirm-Fotos. Links ein Browser der eine Website von "WSAudiology" zeigt mit dem Titel "Document Library - please chose a brand first". Links daneben die gleiche Seite auf der Brands aufgelistet sind "Signai, Widex, Rexton ..."
Das hier findet man vor, wenn man in der Audibene-App auf „Handbuch“ klickt – Würdet ihr wissen, dass ihr dort „Signia“ auswählen müsst?
  • Kleineres Portfolio. Ich erwähnte oben schon die Vorteile für Händler, wenn sie große Stückzahlen abnehmen. Das bedeutet für uns Kunden allerdings auch, dass die Händler dazu tendieren, dann nur noch eine oder nur wenige Marken anzubieten und eben nicht mehrere. Das wiederum schränkt unseren Zugang zu anderen Marken ein, denn wir müssten schon in der Testphase das Fachgeschäft wechseln, wenn wir mehr Hersteller testen möchten (Siehe dazu auch Wie findet man einen guten Akustiker? Teil 3: Portfolio und Wie testet man Hörgeräte richtig?). 

Vorteile von Rebranding für uns Kunden

Meiner persönlichen Meinung nach überwiegen zwar die Nachteile für uns Kunden, aber ich möchte auch die Vorteile nicht unterschlagen.

  • Preise. Ich vermute, dass ge-rebrandete Hörgeräte eventuell günstiger zu haben sind für uns Kunden. Ich erwähnte oben ja bereits die Preisvorteile durch Abnahme großer Stückzahlen durch die Haendler. Allerdings konnte ich bisher nicht verifizieren, ob diese Preisvorteile auch an uns Kunden weitergegeben werden. Wer von meinen Lesern Zugang zu Preislisten von Händlern hat, der oder die ist herzlich eingeladen, hier zu kommentieren.
  • Verfügbarkeit. Durchs Rebranding werden gute Markengeräte auch in den hinterletzten Winkel der Republik angeboten, auch wenn sich in dem ein oder anderen Dorf nur noch eine Filiale einer grossen Hörakustik-Kette angesiedelt, ist das immer noch besser als keine Markengeräte wohnortnah erwerben zu können. Trotzdem wäre es schön, wenn das transparenter gemacht würde. 

Ich hoffe ich konnte mit diesem Artikel die Praxis von Rebranding beleuchten und verständlich machen. Was denkt ihr von Rebranding? Findet ihr das von Vorteil, Nachteil oder ist es egal? Hinterlass mir doch gerne einen Kommentar mit deiner Meinung.

2 Gedanken zu „Rebranding von Hörgeräten

  1. Herzlichen Dank für diesen Artikel zum Thema Rebranding. Es ist leider eine zunehmend verbreitete Unsitte, welche nur Übersicht und Vergleichbarkeit erschwert.
    Baugleichheiten von Rebranding-Geräten sind oft über das GKV-Hilfsmittelverzeichnis online https://www.rehadat-gkv.de/produkt auffindbar. Damit findet man den Originalhersteller bzw. Originalnamen des Gerätes.

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