Hören auf zweierlei Weise

Diesmal beschäftigen wir uns ganz grundlegend mit dem Hören. Wir Menschen hören auf zweierlei Weisen. Und damit meine ich nicht uns Schwerhörige die mit und (und etwas weniger) ohne Hörgerät hören. Nein, ich meine das der Mensch an sich auf zweierlei Arten hört.

Hören durchs Ohr

Die Art zu hören, die uns da als erstes in den Sinn kommt ist im wahrsten Sinne des Wortes „durch die Ohren“. Töne sind ja eigentlich vibrierende Luft, also Schallwellen. Diese machen auf diesem Weg folgende Reise:

Der Ton:

  • gelangt durch die Luft der Umgebung,
  • an deine Ohrmuschel, diese führt ihn
  • in deinen Gehörgang,
  • an dein Trommelfell.
  • Dein Trommelfell wird in Schwingungen gebracht,
  • diese Schwingungen dann weiter über die Gehör-Knöchelchen
  • zur Membran deines Innenohrs.
  • In deinem Innenohr ist die Cochlea-Schnecke welche mit Flüssigkeit gefüllt ist, welche dann wiederum die (Schall)wellen aufnimmt.
  • Die Wellen berühren die Härchen in deiner Hörschnecke.
  • Das wiederum löst elektrische Signale in den verbundenen Nerven aus.
  • Diese Signale gehen über Nervenbahnen zum Gehirn, wo wir diese Sinneswahrnehmung verarbeiten.

Da hier der grösste Teil des Weges über die Luft genommen wird, nennt man diesen Luftleitung.

Das ganze etwas anschaulicher als Bild:

Weg des Schalls von der Ohrmuschel bis zum Gehirn (Luftleitung)
Die Luftleitung: der Weg des Schalls von der Ohrmuschel bis zum Gehirn (schematisch).

Hören durch den Knochen

Die zweite Art zu hören, die nicht so offensichtlich ist, geht über die Knochen unseres Schädels. Der Ton macht hier folgenden Weg.

  • Der Ton gelangt durch die Luft
  • an deinen Schädel.
  • Die Schwingungen gelangen also durch die Haut an
  • deinen Schädel-Knochen, den sie auch ganz leicht in Schwingen versetzen.
  • Vom Schädel tragen diese Schwingungen weiter ans Innenohr und die Hörschnecke. Von hier an geht es weiter wie im obigen Weg.
  • Die Wellen in der Hörschnecke bewegen die Härchen, welche elektrische Signale in den Nerven auslösen, welche bis in unser Gehirn diese Sinnesinformationen tragen.

Da hier der wichtigste Teil des Weges über die Knochen funktioniert, nennt man den die Knochenleitung.

Oder auch als Bild:

Weg des Schalls ueber die Knochenleitung
Die Knochenleitung: der Weg des Schalls über den Schädelknochen zum Gehirn (schematisch)

Wir hören also auf zwei Weisen und auch wenn uns das Hören über den Knochen nicht als erstes einfällt, so haben wir das vielleicht doch schonmal gesehen. Zum Beispiel haben wir vielleicht schonmal einen Dirigenten beobachtet. Diese finden den richtigen Ton, indem sie vor Beginn des Konzertes eine Stimmgabel anschlagen und sich diese an den Kopf halten. So hören sie den sogenannten Kammerton durch ihren Kopf.

Menschen hören also auf beide Weisen. Das machen wir intuitiv. Wir suchen uns das nicht aus und können auch nicht bewusst das eine oder das andere. Das ist wie Atmen, das passiert einfach ohne dass wir explizit darüber nachdenken.

Was unterscheidet diese Arten zu Hören?

Beim ersten Weg werden allerlei kleine filigrane Teile unseres Körpers in Schwingungen gebracht wie z.B. das Trommelfell oder die Knöchelchen. Beim zweiten Weg bahnt sich der Schall durch so einen robusten Knochen wie unseren Schädel. Dass das ein wenig mehr Energie braucht, kann man sich denken. Tatsächlich ist es so dass wir ein Ton den wir über die Knochen wahrnehmen ca. 50dB lauter sein muss als wenn er den Weg durchs Ohr nehmen würde. Wir hören also vor allem die lauteren Töne über beide Wege gleichzeitig und die leisen nur über den Weg durchs Ohr.

Kopfhörer und Hörgeräte

Wenn man sich nun überlegt, dass wir auf zwei Arten hören, gibt es dann auch Kopfhörer die den zweiten Weg nutzen? Denn die meisten Kopfhörer die man so kennt, setzt man ja direkt auf oder in die Ohrmuschel und damit nimmt der Ton nur den ersten Weg, während der zweite weitestgehend ungenutzt bleibt. Auf herkömmliche Hörgeräte trifft das gleiche zu. Diese werden ja auch mit dem Lautsprecher in den Gehörgang gesetzt.

Aber tatsächlich gibt es beides auch für das Hören über die Knochen. Wenn man nach „Knochenleitungskopfhörer“ sucht, wird man schnell fündig. Die meisten Produkte hier sehen aus wie ein Bügel mit zwei dickeren Enden, welche man an den Knochen hinter oder vor den Ohren ansetzt.

Knochenleitungskopfhörer welcher hinterm Ohr angesetzt wird und mit einem Kabel verbunden ist.
Knochenleitungskopfhörer welcher hinterm Ohr angesetzt wird und mit einem Kabel verbunden ist.

Manche werden auch am Knochen vor dem Ohr angesetzt. Wie dieser hier:

Kopfhörer welcher am Knochen vor dem Ohr ansetzt und ohne Kabel (z.B. über Bluetooth) funktioniert
Kabelloser Knochenleitungskopfhörer, welcher am Knochen vor dem Ohr ansetzt.

Mittlerweile gibt es aber auch chicere Bluetooth Variaten wie z.B. dieser Kickstarter. Ich habe letzteren bisher nicht testen können, aber was mich etwas skeptisch macht ist ob da genug „Wumms“ übertragen wird, wenn man die Dinger nur an die Haut klebt ohne dass dort durch einen Bügel leichter Druck auf den Schädel ausgeübt wird.

In der Hörgerätewelt sieht das ganze weniger hipp aus. Hier gibt es Hörgeräte die mit Brillengestellen verbunden sind. Diese haben Bügel die hinter dem Ohr aufsetzen. Diese Geräte nennt man „Hörbrillen“.

Ein Kopf eines Menschen der eine Hörbrille trägt. Der Bügel hinter dem Ohr berührt den Schädelknochen.
Eine Hörbrille. Der Bügel hinter dem Ohr berührt den Schädelknochen.

All diesen Geräten ist allerdings gemein, dass sie mehr Strom brauchen als ihre Ohr-Muschel-Konkurrenz, denn um 50dB lautere Töne zu erzeugen braucht man halt mehr Power.

Ein Aspekt, der bei Kopfhörern interessant ist, ist, dass man ja in der Zeit in der man etwas über diese Kopfhörer hört, den anderen Kanal, also das Ohr noch „frei“ hat. Unter Umständen kann man hier zum Beispiel beim Fahrradfahren Musik hören, aber trotzdem noch genug von seiner Umgebung hören so dass man sich und die anderen Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet. Mit normalen Kopfhörern sollte man das nicht tun, weil die durch die Nutzung des Gehörganges ja sehr viel mehr Geräusche von der Umwelt vom Ohr abschirmen.

Bei Knochenleitungshörgeräten ist dieses Beispiel der Nutzung im Straßenverkehr vermutlich seltener die Option. Diese Art von Hörgeräten wird vor allem verschrieben, wenn Teile deines „ersten Hörweges“ eingeschränkt oder beschädigt sind. Wenn du zum Beispiel ein defektes Trommelfell hast, so wirst du über ein Knochenleitungshörgerät besser hören können, aber dann wird dein Gehör durchs Ohr vermutlich nicht mehr gut genug sein um dich im Straßenverkehr vor Gefahren zu bewahren.

Schlussworte

Ich hoffe euch hat dieser kleine Rundgang durch unsere Hörmöglichkeiten gefallen. Hier gibt es noch einige interessante Dinge im Bezug auf Hörgeräte und Hörverlust zu erfahren, auf die ich in zukünftigen Artikeln eingehen werde.

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