Heute möchte über etwas berichten, welches neuerdings einige Hörgeräte-Hersteller anbieten: Fern-Service. Das ist die Möglichkeit deine Hörgeräte durch deinen Akustiker anpassen zu lassen, ohne dass du zu ihm ins Geschäft kommen musst. Das funktioniert digital über das Internet mit Hilfe von deinem Mobiltelefon. Das ganze nennt sich je nach Hersteller unterschiedlich: bei Phonak heißt es Remote Support, bei Signia Telecare, bei Widex Remote Hearing Aid Adjustments, bei Oticon Remote Care. Bei Resond habe ich keinen vergleichbaren Service gefunden.
Ich hatte neulich die Gelegenheit den Phonak Remote Support mit meinem Akustiker zu testen. Die Details werden von Hersteller zu Hersteller variieren, aber das grundlegende Prinzip ist bei allen das gleiche. Hier mein Erfahrungsbericht.
Welcher Akustiker bietet Fern-Service an?
Im Falle von Phonak können alle Akustiker, die Hörgeräte von Phonak vertreiben, Remote Support anbieten. Da dieser Service noch relativ neu ist, hat nicht jeder Akustiker bereits damit Erfahrung. Es lohnt sich einfach mal deinen Akustiker zu fragen ob er das anbietet. In meinem Fall war es so, dass mein Akustiker dafür aufgeschlossen war, aber es selbst noch nicht probiert hatte. Er hat sich darauf hin die nötige Software von Phonak besorgt und eingerichtet. Das hat ein paar Wochen gedauert; man sollte also etwas Geduld mitbringen.
Wie funktioniert Fern-Service?
Soweit ich das beurteilen kann, funktioniert der Fern-Service vom Akustiker bei allen Herstellern so: als Kunde musst du eine App auf deinem Mobiltelefon installieren. Das kann die App sein, die du unter Umständen sowieso schon installiert hast um deine Hörgeräte per App zu bedienen. Dann verbindest du dich am Termin mit deinem Akustiker per Video-Anruf in dieser App. Während des Anrufes kann dein Akustiker auf deine Hörgeräte zugreifen und Änderungen an den Einstellungen vornehmen.
Was ist der Vorteil von Fern-Service?
Die Vorteile von Fern-Service sind die folgenden:
- Zeitersparnis. Ich brauche für viele Einstellungen meiner Hörgeräte nicht mehr ins Ladengeschäft fahren. Das erspart mir als Kunde viel Zeit.
- Barrierefreiheit. Wenn du zu den Menschen gehörst die körperlich nicht so mobil sind, bedeutet es oft einen großen Aufwand für dich das Haus zu verlassen. Die Möglichkeit des Fern-Services ist also ein barrierefreierer Zugang zur Beratung durch deinen Akustiker.
- Service auch unterwegs. Wenn du häufig auf Reisen bist (beruflich wie privat), dann ist dies auch eine Möglichkeit Service von deinem lokalen Akustiker zu bekommen, obwohl du dich gerade am anderen Ende der Welt befindest. Zeitzonen sind natürlich immer noch ein Problem.
- Abstand. In Zeiten von Corona hat Fern-Service zusätzlich den Vorteil, dass kein physischer Kontakt notwendig ist und damit auch keine Ansteckungsgefahr besteht.
- Anpassung in deiner Umgebung. Du kannst die Änderungen der Einstellungen deiner Hörgeräte sofort in deiner Umgebung testen. Es wird also weniger oft passieren, dass du deine Hörgeräte-Einstellungen ändern lässt nur um kurz nach dem Heimweg in deine Wohnung festzustellen dass sie doch nicht so das wahre sind und du sie doch nochmal anpassen lassen möchtest.
Was sind die Grenzen von Fern-Service?
Auch wenn Fern-Service eine tolle Neuerung für uns Hörgeräte-Träger ist, gibt es Grenzen was den Leistungsumfang angeht:
- Nicht für die Erst-Einstellung geeignet. Wenn man neue Hörgeräte bekommt, dann muss man beim ersten Termin allerlei Prozedere durchlaufen. Unter anderem macht dein Akustiker einen Hörtest mit dir und die allerersten Einstellungen werden auf das Hörgerät gespielt. Dieser erste Termin muss auf jeden Fall bei deinem Akustiker im Laden gemacht werden, damit die Software dich als Kunden und deine Hörgeräte kennt.
- Nicht alle Einstellungen möglich. Dein Akustiker kann mit Hilfe des Fern-Services viele Dinge am Hörgerät einstellen, aber meistens nicht alles was er im Ladengeschäft machen könnte. Bei meinem Termin erwähnte mein Akustiker das man z.B. keine Firmware-Updates einspielen kann und das die Rückkopplungsmessung im Gerät nicht durchgeführt werden kann. Mindestens für die Firmware-Updates sollte man also dann doch ca. einmal im Jahr im Ladengeschäft vorbeischauen.
- Alles was physischen Kontakt benötigt. Es liegt in der Natur der Sache dass man über Fern-Service, welcher über einen Video-Anruf funktioniert, nur Dinge am Hörgerät ändern kann, welche keinen physischen Kontakt durch den Akustiker benötigen. Das ist z. B. das Reinigen von Ohrschläuchen oder das Abschleifen von Ohrstücken. Dinge wie das Kontrollieren des richtigen Sitzes der Hörgeräte geht vermutlich rudimentär wenn man sein Ohr entsprechend in die Kamera hält.
- Nicht alle Hörgeräte sind unterstützt. Fern-Service funktioniert technisch nur für Hörgeräte welche Bluetooth LE (Low Energy) Verbindungen zu deinem Mobiltelefon aufbauen können. Das sind in den meisten Fällen nur die Geräte der neueren Generationen (Stand 2020). Auch funktioniert das nicht mit allen Mobiltelefonen. Hier solltest du dich dich danach erkundigen ob dieser Service mit deinem Mobiltelefon möglich ist.
Wofür ist Fern-Service gut geeignet?
Neben den grundsätzlichen Vorteilen die ich oben erwähnte, gibt es ein paar Anliegen von uns als Kunden, die Fern-Service besonders gut bedienen kann.
- Beratung. Alles was eigentlich nur ein Gespräch mit dem Akustiker braucht, geht natürlich prima durch diesen Video-Anruf. Es gibt viele Dinge wo dein Akustiker gar nichts an deinem Hörgerät einstellen muss, z.B. wenn du einfach nur wissen willst ob es normal ist, dass ein kratzendes Geräusch kommt, wenn du dir an deinen Haaren herumfummelst. (Manche von euch denken jetzt vermutlich „Aber das ist doch normal!“ Und ja, das stimmt, aber es ist auch völlig normal, dass man als Hörgeräte-Anfänger solche Fragen an seinen Akustiker hat.) Natürlich könnte man hier sagen, dass dafür auch ein normales Telefonat oder ein Video-Anruf über eine andere App gereicht hätte, aber ersteres ist für Schwerhörige oft schwierig (u.a. wegen dem fehlenden Mundbild zum Lippenlesen) und letzteres ist technisch und datenschutzrechtlich schwierig für alle Kunden aufzusetzen.
- Kleine Einstellungsveränderungen der Hörgeräte. Während Fern-Service nicht für die ersten Einstellungen der Hörgeräte geeignet ist, so ist es sehr gut geeignet für kleine Korrekturen der Einstellungen. Beispiel: beim ersten Einstellen waren die Hörgeräte ein kleines bisschen zu laut eingestellt. Das nervt nur in bestimmten Situationen, aber es nervt genug dass ich es korrigiert haben möchte. Für meinen Akustiker sind es nur ein paar Klicks und schon ist mein Problem gelöst. Ein weiteres Beispiel sind einfache Konfigurationseinstellungen wie welche Melodie abgespielt wird wenn die Batterie leer geht. Das ist im wesentlichen ein Häkchen welches mein Akustiker umsetzen muss und für dass sich der Weg ins Ladengeschäft wirklich nicht lohnt.
So lief es bei mir im Detail
Nachdem wir nun grundsätzlich wissen wie es funktioniert und was die Vor- und Nachteile von Fern-Service sind, möchte ich nun im Detail berichten wie mein erster Fern-Service Termin verlaufen ist.
Zunächst musste ich mit meinem Akustiker wie immer einen Termin vereinbaren. Das habe ich per Email getan, wie sonst auch. Zu diesem Termin musste ich dann aber nicht in sein Geschäft fahren, sondern konnte ihn einfach in meiner Wohnung wahrnehmen.
Vor dem Termin erhielt ich eine Email mit einer Einladung und einem Code den ich in der MyPhonak App eingeben musste. Dort konnte ich dann auch meinen Termin in einer Liste sehen.
Zum Termin ist es wichtig eine gute WLAN- oder Daten-Verbindung mit dem Telefon zu haben, damit das alles gut funktioniert. Auch ist es ratsam, vorher die Hörgeräte-Batterien gegen frische Batterien auszutauschen oder die Akkus komplett aufzuladen. Darauf wird man auch in der App noch einmal hingewiesen.
Am Termin selbst, öffnete sich dann eine Nachricht in der App, dass mich mein Akustiker jetzt anruft. Diese sieht ähnlich aus wie bei Videokonferenz-Apps die man so kennt, z.B. Skype. Als ich dann den Anruf annimmt, fand ich mich ebenfalls in einer Ansicht wieder die den gängigen Videokonferenz-App ähnelt.
Der grösste Teil des Bildschirms wurde vom Antlitz meines Akustikers eingenommen. Das finde ich an sich auch nicht schlecht, denn so kann ich ihn gut sehen und Lippen lesen. Unten rechts in der Ecke sah ich mich selbst in einem kleineren Fenster. Ganz unten sieht man die üblichen Buttons von Video-Anruf-Apps: also Kamera aus/an, Mikrofon aus/an, Kameraausrichtung zwischen Front- („Selfie“) und Fernkamera wechseln und zu guter letzt Auflegen.
Der Ton kam in diesem Fall aber nicht direkt über die Bluetooth-Verbindung von meinem Mobiltelefon, sondern über den Lautsprecher des Telefons. Das war insofern etwas ungewohnt, weil ich ja sonst beim telefonieren meine Hörgeräte als Bluetooth-Headset mit dem Telefon verbinde und damit den Ton direkt in meine Hörgeräte übertragen bekomme. Das geht allerdings in diesem Fall nicht, weil die Verbindung immer wieder abbrechen würde, wenn der Akustiker Änderungen an den Hörgeräten per Fern-Service vornimmt.
Den einzigen Unterschied zu Videokonferenz-Apps den ich als Kunde sehen konnte war, dass manchmal von oben ein Hinweis kam, ob meine Hörgeräte die Verbindung zur App haben.
Zunächst habe ich dann ein wenig mit meinem Akustiker gesprochen und er hat mir erzählt wie das alles funktioniert. Ich hatte zu dem Zeitpunkt nur ein paar Fragen und nichts davon resultierte in konkreten Einstellungen die mein Akustiker an meinen Hörgeräten ändern musste. Damit sowohl er als auch ich aber mal die Technik in Aktion sehen konnten, hat er ein paar Dinge eingestellt und direkt in meine Hörgeräte übertragen, z.B. konnte er mir die Hörgeräte kurz stumm schalten oder Signaltöne umstellen. Das hat alles prima funktioniert und damit haben wir irgendwann den Termin abgeschlossen und aufgelegt.
Fazit Phonak Remote Support
Mein Fazit konkret zum Phonak Remote Support ist, dass ich das ganze sehr gut umgesetzt fand. Phonak hat sich hier bemüht, alles sehr benutzerfreundlich zu gestalten. Die Handhabung der App war intuitiv und verständlich. Die Ton- und Bildqualität war gut genug so dass ich meinen Akustiker verstehen konnte trotz des Tons über die Telefonlautsprecher. Das Einstellen der Hörgeräte funktionierte auch wie es sollte.
Wenn ich etwas als Verbesserungen vorschlagen würde, dann wären es die folgenden Punkte:
- Man hat kein visuelles Feedback darüber was der Akustiker da gerade einstellt. Das hat mir als Kunde doch etwas gefehlt, weil ich mich drauf verlassen muss dass er schon genau das tut was ich will. Mir ist klar, dass man auf einem kleinen Handy-Display nicht so viel anzeigen kann wie in der Software meines Akustikers, die ich ja sehen kann wenn ich bei ihm im Laden sitze. Allerdings so kleine Statusmeldungen wie „Ihre Hörgeräte wurden gerade stumm geschaltet“ oder „Die Lautstärke wurde verringert“ würden schon helfen.
- Dass man sich selbst unten rechts in der Ecke sieht finde ich sinnvoll für einen Video-Anruf. Was mich allerdings störte war ,dass man das kleine Fenster nicht herumschieben konnte. Teilweise verdeckte es den Mund meines Akustikers und machte damit das Lippenlesen schwer. Wenn ich es hätte herumschieben können, hätte ich das Problem nicht gehabt.
Fazit Fern-Service im Allgemeinen
Ich bin grundsätzlich ein großer Fan von dieser Entwicklung wegen der oben genannten Vorteile. Ich habe mich früher extrem geärgert, wenn meine Hörgeräte an sich super eingestellt waren, aber mein Akustiker einen kleinen Haken irgendwo vergessen hatte und ich extra dafür nochmal kommen musste. Es ist eine große Ersparnis an Zeit und Aufwand. Ich freue mich, dass mein Akustiker das anbietet und plane es für meine Anliegen zu nutzen wenn immer es möglich ist.
Wem seine Zeit also viel wert ist und wen es nicht abschreckt, sich mit der App vertraut machen zu müssen, für den ist Fern-Service eine super Ergänzung zum regulären Service eines Akustikers.
ReSound nennt es: ReSound Assist
Danke für diesen tollen Blog. War sehr interessant zu lesen.
Moin,
Ich seh das als eine Möglichkeit für Kleinigkeiten und Information, mehr nicht. Kritisch sehe ich das die Anpassung in einer nicht dafür geeigneten Umgebung erfolgt. Es gibt schon Gründe für Schalldichte Kabinen beim Akustiker. Auch sind die verwendeten Schnittstellen auf Seiten der Betroffenen nie für die Anpassung Medizinischer Hilfsmittel ausgelegt, geprüft und zugelassen worden.
Der wichtige Blick des Akustiker ins Ohr vor jeder Änderung fehlt genauso wie die schnelle Korrektur des Sitzes des Geräts , ggf. neu Biegen von Kabel oder Schlauch sowie die routinemäßige Reinigung und der Tausch von Filtern.
Und wie wir Wissen sind es die einfachen Sachen wie Cerumen, verstopfter Filter, verstopfte Bohrungen , verlegte Schläuche, leere Batterie/ Akku, keine Batterie, Batterie falsch eingelegt oder Gerät nicht eingeschaltet die die Haupt Störungsquellen sind. Und all das sollte vor jeder Fernanpassung geprüft werden . . .
Alles das was im Persönlichen Kontakt möglich ist geht auch verloren, z.b. der Online Operator bedient ganz Deutschland, dem sind Einzelfälle egal. Ganz im Gegensatz zum Örtlichen Akustiker der auf jeden Kunden angewiesen ist.
Gruß
Ralf