Dies ist der dritte Teil der Reihe über Hörtests. Diesmal beschäftigen wir uns mit der Sprachverständlichkeit. Wer sie noch nicht kennt, dem seien die ersten beiden Teile, Teil 1: Audiogramm und Hörschwellenmessung und Teil 2: Die Unbehaglichkeitsschwelle ans Herz gelegt.
Der Hauptzweck von Hörgeräten ist – zumindest im Sinne unseres Gesundheitssystem – die Sprachverständlichkeit nach einem Hörverlust wieder herzustellen. Denn nur wenn wir mit anderen Menschen kommunizieren können, sind wir sowohl arbeitsfähig als auch glücklicher, denn wir können dann einfacher ein Sozialleben haben. Obwohl Sprache also hier das Hauptaugenmerk hat, messen die ersten beiden Hörtests (die Hörschwellenmessung und die Unbehaglichkeitsschwelle) nur einzelne isolierte Töne. Das bringt einen Schwerhörigen Menschen jedoch noch nicht unbedingt zum Ziel. Man kann unter Umständen viele Töne gut hören und trotzdem so seine Schwierigkeiten haben, Sprache zu verstehen.
Deshalb gibt es einen weiteren Teil in einem Hörtest, den Sprachverständlichkeitstest. Der testet das, was am ehesten hilft zu erkennen ob jemand Probleme hat Sprache zu verstehen. In Deutschland funktioniert dieser Test wie folgt.
Dein Akustiker spielt eine Aufzeichnung ab, wo ein Herr mit einer tiefen Stimme nach und nach verschiedene Wörter vorliest. Du sitzt wie beim Hörschwellenmessungstest mit Kopfhörern in einer schalldichten Kabine und sprichst die Wörter nach. Wenn du ein Wort nicht verstehst, dann sagst du nichts oder „nicht verstanden“ oder ähnliches.
Der Test im Detail
In Deutschland wird meist ein Test gemacht, der sich „Freiburger Einsilbertest“ oder „Freiburger Wörtertest“ nennt. Da in Deutschland alles seine Ordnung hat, hat dieser Test sogar eine Norm, die DIN 45621-1. Dieser Test wurde schon 1953 definiert und sein Alter merkt man ihm mittlerweile auch an. Dazu später mehr.
Der Test besteht aus 20 einsilbigen deutschen Wörtern, z.B. „Stift“ oder „Korb“. Man nimmt hier so kurze Wörter, weil man damit ausschließt, dass du als Testperson aus dem Zusammenhang rätst. Bei längeren Wörtern könntest du die letzten Silbern raten sobald du den Anfang kennst, ohne die letzten Silben wirklich zu verstehen. Denke hier an „Schillerlocke“, wo du vermutlich nach „Schillerlo-“ schon weisst was kommt.
Bei einsilbigen Wörtern müssen also mehr oder weniger alle Buchstaben wahrgenommen werden, damit man sie versteht und von anderen Wörtern unterscheiden kann. Zum Beispiel ist das kurze Wort „Turm“ von „Wurm“ nicht zu unterscheiden, wenn du Probleme hast die Konsonanten zu hören.
Was erkennt man im Test
Aus der Anzahl der Wörter die du in einem Durchgang verstehst, kann dein Akustiker erkennen wie gut dein Sprachverständnis ist. Hörende Menschen verstehen schon ab 20 dB 50% der Wörter. Ab 50 dB verstehen sie alle.
Daran welche Wörter du nicht verstehst oder mit anderen Wörtern verwechselst, kann er unter Umständen auch genauer erkennen bei welchen Tönen das Problem liegt.
Diese Messung wird meist am Anfang einer Hörgeräteversorgung ohne Hörgeräte gemacht und am Ende mit Hörgeräten um zu sehen ob das Hörgerät seinen Zweck erfüllt. Dies ist übrigens auch ein Test den die Krankenkasse sehen will, da sie die Hörgeräte ja (minimal mit-)finanzieren.
Vorteile dieses Testes
Sprachverstaendlichkeit auf diese Weise zu messen, hat Vorteile.
- Wie schon angedeutet, ist dieser Test näher an der Sprachverständlichkeit als Messungen von einzelnen Tönen.
- Dadurch dass er sich auf einsilbige Wörter beschränkt, kann man als Schwerhöriger nicht „pfuschen“ und damit ergibt die Messung ein relativ akkurates Bild deiner Sprachverständlichkeit.
- Befürworter dieses Testes loben auch die einfache Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse, insbesondere über Jahrzehnte hinweg.
Nachteile dieses Testes
Dieser Test kommt aber auch mit einigen Kritikpunkten.
- Sprache ist mehr als ein paar einsilbige Wörter die in einer schalldichten Kabine ohne Hintergrundgeräusche gehört werden. Die Realität eines Schwerhörigen sieht anders aus. Ein Besuch in einem vollbesetzten Cafe mit lauter Geräuschkulisse kann immer noch eine Herausforderung sein, auch wenn man den Test „bestanden“ hat. Eine Abhilfe kann hier der Akustiker schaffen, in dem er den Test mit dir macht, aber gleichzeitig auf Lautsprechern ein lautes Hintergrundrauschen einspielt.
- Die Aufnahme die weithin für diesen Test verwendet wird, wird von einem Mann mit tiefer Tonlage gesprochen. Eine übliche Schwerhörigkeit fängt in den höheren Frequenzen an, d. h. man versteht vor allem Frauen und Kinder schlechter, weil diese meistens höhere Stimmen haben. Die Sprache von Frauen liegt im Schnitt bei 700Hz, die von Männern bei 500Hz. Wenn dieser Test nun immer von einem Mann gesprochen wird, garantiert das nicht, dass man auch Frauen und Kinder gut versteht. Und möchte man tatsächlich über die Hälfte der Menschheit potentiell nicht verstehen?
- Da der Test in den 50ern designed wurde, enthält er auch einige etwas altbackene Wörter. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber z. B. „Zank“ und „Lump“ sind in meinem aktiven Sprachgebrauch eher nicht enthalten. Das mag kein Problem bei der Generation 70+ sein, aber ich frage mich hier tatsächlich ob „die Jugend von heute“ überhaupt noch alle Wörter kennt.
- Auch wird es schwierig sein, einen aussagekräftigen Test zu bekommen, wenn Deutsch nicht deine Muttersprache ist. Was macht eigentlich ein HNO-Arzt für einen Test, wenn der Patient ein Expat ist und nur Englisch oder Türkisch spricht. Ist unser deutsches Gesundheitssystem überhaupt für sowas gerüstet?
Fazit
Der Freiburger Wörtertest ist ein essenzieller Teil eines Hörtestes, wenngleich er auch mit Nachteilen behaftet ist.
Ich persönlich finde es immer wichtig, dass mein Akustiker diesen Test macht. Er muss ihn sowieso für die Krankenkasse machen, aber einen wirklich guten Akustiker erkennt man daran, dass er ihn auch zwischendurch macht um die Einstellungen deiner Hörgeräte perfekt hinzukriegen. Die beste Akustikerin der Welt, bei der ich mal die Ehre hatte meine Hörgeraete einstellen zu lassen, hat den Test an einem Termin bestimmt 20 Mal (mit verschiedenen Wörtern) mit mir gemacht. Die Hörgeräte waren danach perfekt auf mich eingestellt. Ich wünschte jeder Akustiker würde sich so viel Zeit nehmen.
Ein kleiner Tipp an dich als schwerhöriger Mensch: Manchmal versteht man bei dem Test ein Wort, aber hört gleich dass man manche Buchstaben nicht wahrnimmt. In dem Fall hast du eigentlich das Wort nicht wirklich gehört. Zum Beispiel wenn du „Durst“ auch als „Durst“ erkennst, aber eigentlich das „s“ nicht gehört hast. Ich empfehle hier entweder so zu tun als hättest du das Wort gar nicht gehört oder zu sagen dass du es zwar gehört hast, aber nicht alles. Ich sage in so einem Fall z.B. „Durst aber ohne s“. Dann kann dein Akustiker das nicht so einfach abhaken, sondern muss nochmal an die Einstellungen ran.