Hörtest Teil 1: Audiogramm und Hörschwellenmessung

Wenn man beim Akustiker oder beim HNO Arzt einen Hörtest machen muss, so besteht dieser normalerweise aus mehreren Teilen. Dieser Artikel beschreibt den ersten Teil davon, das Erstellen eines Audiogramms und dem Ermitteln der Hörschwelle. Wir werden auch lernen wie man ein Audiogramm lesen muss.

Was beinhaltet ein Audiogramm?

Ein Audiogramm ist eine grafische Darstellung verschiedener Eigenschaften des Hörens eines Menschen. Für ein Audiogramm werden zwei Dinge gemessen und in jeweils einer Kurve im Audiogramm eingetragen:

  • Deine Hörschwelle, also ab welcher Lautstärke du welche Frequenzen (Töne) hören kannst.
  • Zusätzlich wird auch die Lautstärke gemessen, ab der ein Ton so laut ist, dass du ihn als unangenehm empfindest. Das nennt man die Unbehaglichkeitsschwelle. über die habe ich einen eigenen Artikel geschrieben, nämlich Teil 2: Die Unbehaglichkeitsschwelle.

Das hier ist zum Beispiel mein letztes Audiogramm vom Akustiker:

Ein Audiogramm

Was du hier siehst:

  • Für jedes Ohr gibt es eine separate Zeichnung (Graph). Etwas unintuitiv ist, dass das rechte Ohr immer links und das linke Ohr rechts abgebildet ist. Vermutlich weil das die Perspektive ist, die dein Arzt oder Akustiker hat, wenn er dich anschaut.
  • Die Zeichnungen (oder Graphen), haben zwei Achsen. Die eine geht von oben links nach oben rechts und bezeichnet die Frequenz, also was für eine Tonlage. Das geht von 125Hz (sehr tiefes Brummen) bis 8kHz (Zischen).
  • Die zweite Achse geht von oben links nach unten links und bezeichnet die Lautstärke, gemessen in Dezibel von 0dB (sehr sehr leise, aber nicht unhörbar) bis 120dB (sehr laut).
  • Somit ist der Nullpunkt des Graphen oben links. Wenn man sich an seinen Matheunterricht in der Schule erinnert, so ist das vielleicht etwas ungewohnt, weil normalerweise wird ein Nullpunkt in solchen Graphen immer unten links eingezeichnet. Ich vermute dass es hier anders ist, weil so „intuitiv“ bei einer Hörschwelle eines gesunden Menschen die Kurve ganz oben ist und wir Menschen grundsätzlich „gut“ mit „oben auf“ verbinden. Aber das ist nur meine hobby-psychologische Annahme.
  • Die jeweils obere Kurve zeigt meine Hörschwelle die untere meine Unbehaglichkeitsschwelle.

Da so ein Audiogramm recht abstrakt ist und man schwierig einschätzen kann wo welche Töne so sind, habe ich hier eins gezeichnet mit Tönen die man so kennt:

Audiogramm mit verschiedenen bekannten Geräuschen

Messung der Hörschwelle

Um deine Hörschwelle zu ermitteln, geht dein Arzt oder Akustiker folgendermaßen vor:

  • Er setzt dich in eine schalldichte Kabine oder einen relativ leisen Raum und setzt dir Kopfhörer auf. Solltest du bereits Hörgeräte tragen, so musst du diese für den Test abnehmen, denn er ja deine Hörschwelle ohne Hilfe der Hörgeräte messen will. Alternativ zu einem Kopfhörer, misst man einen Hörverlust auch manchmal über Knochenleitungshörer. Das ist eine spezielle Art Kopfhörer, welcher nicht auf den Ohren sitzt sondern an einen Schädelknochen angelegt wird, den auch darüber nehmen wir Töne wahr. Diese Messung ist wichtig um zu vergleichen wie viel man übers Ohr und wie viel man über den Knochen hört. Das hilft genau zu diagnostizieren was wie der Hörverlust zustande kommt und damit zu wissen wie man ihn mit Hörgeräten ausgleichen kann. Die Messung mit dem Knochenleitungshörer wird nicht immer gemacht. Auf diese Messung werde ich in einem weiteren Artikel noch eingehen.
  • Zusätzlich kriegst du eventuell einen Druckknopf in die Hand gedrückt.
  • Dann spielt er dir über die Kopfhörer unterschiedliche Töne in unterschiedlicher Lautstärke vor. Dabei fängt er bei jedem Ton bei einer ganz leisen Lautstärke an und dreht diese in kleinen Schritten immer lauter. In dem Moment wo du den Ton das erste mal wahrnimmst, musst du auf den Druckknopf drücken oder sonst wie ein Signal geben dass du es hörst. Ich sage dann z.B. „Ja“ oder „Jetzt“. Das macht der Arzt oder Akustiker dann für eine Reihe von Tönen und notiert für jeden, an welcher Stelle du begonnen hast ihn zu hören.

Daraus entstehen dann die beiden oberen Kurven ähnlich wie im Audiogramm oben.

Die Hörschwellenkurve interpretieren

Alles unter 20dB gilt als gesundes Hören. Ein Mensch der keinen Hörverlust hat, der hat also in einem Audiogramm eine fast gerade obere Linie, welche bei 20dB oder weniger liegt. In meinem Beispiel sieht man, dass ich bei den tiefen Tönen fast wie ein gesunder Mensch höre, aber so ab ca. 500Hz mein Hörverlust beginnt. Je weiter man nach rechts zu den hohen Tönen geht, desto lauter müssen sie abgespielt werden damit ich sie höre. Auf meinem rechten Ohr sind es bei 8KHz schon 80dB.

Mein Hörverlust ist damit ein typischer Hörverlust im Alter, also Altersschwerhörigkeit. Auch wenn ich diesen schon mit 27 hatte, passt er in dieses Muster und ist damit eine der häufigsten Arten des Hörverlustes und damit eine sehr übliche Kurve die Ärzte und Akustiker so zu Gesicht bekommen.

Probleme bei der Hörschwellenmessung

Das Messen der Hörschwelle ist nicht unbedingt so einfach wie es sich hier liest. Was können die Probleme sein?

  • Manche Menschen haben einen Tinnitus hat, also ein permanentes Ohrgeräusch. Das ist quasi ein Ton den ihr Ohr (oder ihr Gehirn, man weiß es nicht so genau) die ganze Zeit „abspielt“. Wenn so ein Tinnitus genau auf einer Frequenz liegt, die bei einem Hörtest gemessen wird, ist es oft schwierig für dich, diesen Ton vom Hörtest von deinem Tinnitus zu unterscheiden. Dieses Problem löst der Arzt oder Akustiker meist damit dass er nicht einen durchgehenden Ton abspielt, sondern einen der nicht gleichbleibend auf der Frequenz ist, sondern immer ein kleines bisschen zwischen einer tieferen und höheren Frequenz um diese Frequenz schwankt, und damit etwas „wobbelt“. Damit ist er einfacher von einem – meist gleichbleibenden – Tinnitus zu unterscheiden.
  • Subjektivität. Wie oben beschrieben, musst du als Patient oder Kunde die meiste Arbeit bei diesem Test tun. Ein Hörtest ist also nichts wo man dich in eine Maschine steckt die etwas ohne dein Zutun misst oder dir Blut abnimmt und dieses neutral im Labor analysiert. Du als Mensch musst also mitarbeiten. Und da Menschen nicht perfekt sind, passieren hier auch Fehler. Zum Beispiel kann dein Hörtest sehr unterschiedlich ausfallen, je nach dem in welcher Tagesform du bist. Wenn du müde bist, hast du eine schlechte Reaktionszeit und drückst daher in so einem Zustand den Druckknopf immer eine Lautstärkenstufe zu spät. Dagegen hilft es zu unterschiedlichen Zeiten mehrere Messungen zu machen, aber da hat normalerweise niemand Zeit für. Was auch passieren kann ist dass du dich so auf den Hörtest konzentrierst, dass du nicht unbedingt die wirklichen Töne die abgespielt werden hörst, sondern dir welche einbildest. Letzteres versucht der Arzt oder Akustiker zu verhindern, in dem er dir nicht vorher sagt welcher Ton jetzt getestet wird und dich auch nicht auf seinen Bildschirm gucken lässt. Allerdings haben viele Ärzte und Akustiker da ihre Lieblingsreihenfolge und irgendwann hat man sich die als Patient dann auch gemerkt.
  • Umgebungslärm. Bei einem Hörtest solltest du dich als Patient oder Kunde auf die Töne aus dem Computer konzentrieren können und auf nichts anderes. Das heißt also, dass die Umgebung eigentlich komplett leise sein muss. Da die wenigsten Ärzte oder Akustiker einen wirklich schalldichten Raum oder Kabine haben, ist das nicht immer gegeben. Wenn die Arztpraxis also an einer lauten Strasse liegt, so kann das durchaus die Qualität des Hörtestes beeinflussen. Allerdings ist sie vermutlich in den meisten Fällen noch gut genug.

Hörschwelle messen mit Hörgeräten

Da Hörgeräte im wesentlichen auch nur (sehr teure) Kopfhörer sind, könnte man theoretisch auch mit diesen anstatt der Kopfhörer einen Hörtest machen. Akustiker und Ärzte machen das aber nicht, weil sie ein möglichst neutrales Setup haben möchten um zum Beispiel Entwicklungen deiner Hörschwelle über längere Zeit vergleichen können möchten. Da jedes Hörgerät von jedem Hersteller immer ein klein wenig anders ist, ist hier die Vergleichbarkeit nicht gegeben.

Als Schwerhörige war ich aber mal neugierig, und habe eine Zeit lang mit meinen Hörgeräten regelmäßig Hörtests mit Hilfe meines Mannes durchgeführt. Ich brauche ja jemand der die Töne abspielt ohne dass ich sehe welche jetzt kommen (damit ich sie mir nicht einbilde). Da es in dem Fall immer das gleiche Setup war (gleicher Raum, gleiche Software, gleiche Hörgeräte) waren die Werte zumindest miteinander vergleichbar.

Zusammenfassung

In diesem Artikel haben wir Audiogramm und die Hörschwellenmessung besprochen:

  • Ein Audiogramm ist die grafische Darstellung von Eigenschaften des Hörens eines Menschen. Es beinhaltet die Hörschwelle und die Unbehaglichkeitsschwelle.
  • Das Hörschwelle wird mit einem Hörtest gemessen, bei dem man als Patient oder Kunde verschiedene Töne in verschiedenen Lautstärken vorgespielt bekommt.
  • Hörtests haben auch so ihre Probleme, aber sind im großen und ganzen eine nicht-invasive und günstige Art das Hören eines Menschen zu messen.

In einem späteren Artikel gehe ich auf die Unbehaglichkeitsschwelle ein.

6 Gedanken zu „Hörtest Teil 1: Audiogramm und Hörschwellenmessung

  1. Pingback: Hörtest Teil 3: Die Sprachverständlichkeit | Doofe Ohren

  2. Pingback: Hörtest Teil 4: Die Knochenleitung | Doofe Ohren

  3. Pingback: Wie man Hörgeräte bekommt | Doofe Ohren

  4. Hallo,
    Gibt es eigentlich auch einen Hörtest „mit“ Hörgeräten.
    Bei mir wurde natürlich auch ein Hörtest, ohne Geräte, gemacht und wenn ich die Geräte aufhabe, habe ich den Eindruck, die könnten besser eingestellt werden.
    Aber einen Hörtest „mit“ Hörgeräten, vielleicht auch über Lautsprecher, wurden bei mir noch nicht genacht.
    Schliesslich will man ja, dass die Ohren „mit“ Hörgerät möglichst gut hören.
    Wenn ich zum Akustiker gehe, stellt er zwar immer verdeckt irgend etwas am PC herum, aber er weiss nicht, was bei mir ankommt, da er es auch nicht testet.
    Hast du damit bessere Erfahrungen?
    Freundliche Grüsse

  5. Hi Andreas,

    danke fuer deinen Kommentar. Hier ein paar meiner Gedanken zu deiner Frage:

    Grundsaetzlich koennte man den gleichen Test auch mit Hoergeraeten machen, aber das Problem dabei sind, dass es nicht so gut funktioniert, weil man die Kopfhoerer ueber die Hoergeraete stuelpen muesste (genaueres hier: https://doofe-ohren.de/index.php/2021/06/01/kopfhoerer-und-hoergeraete/ )

    Am Ende einer Hoeranpassung muessen Akustiker nochmal einen Test machen, aber das ist der Sprachverstaendlichkeitstest (in dieser Artikelreihe, Teil 3: https://doofe-ohren.de/index.php/2021/03/01/hoertest-teil-3-die-sprachverstaendlichkeit/ ). Damit beweisen sie der Krankenkasse, dass das mit Hoergeraet besser funktioniert als ohne. Manche Akustiker machen das selten, aber die guten Akustiker machen diesen Test auch zwischen drin, mitten in der Anpassung, damit du als Kunde aber auch sie als Akustiker etwas objektiver sehen koennen wie gut die Anpassung schon geworden ist. Meine Lieblingsakustikerin hat diesen Test sehr oft mit mir gemacht und nicht nur am Ende fuer die Krankenkasse.

    Dann gibt es noch eine andere, interessante Moeglichkeit: die In-Situ-Messung. Hier wird zwischen in dein Ohr, zwischen Hoergeraet und Trommelfell eine Sonde gesteckt, die kurz vorm Trommelfell misst, wieviel Schall vom Hoergeraet da eigentlich ankommt. Das nennt sich In-Situ Messung, bzw. Perzentilanalyse. Das eigentlich die beste Art zu testen, wie gut einzelne Toene eigentlich bei dir ankommen. Wenn man das dann mit deinem Audiogramm vergleicht, kann man dann ablesen wo das Hoergeraet noch mehr verstaerken muss. In der Theorie, kann jeder Akustiker so eine Analyse machen, aber viele scheuen sich vor dem Aufwand, weil es eben im Vergleich zum Sprachverstaendlichkeitstest nicht zwingend erforderlich ist. Aber du koenntest deinen Akustiker mal danach fragen.

    Generell noch der Tip: wenn du die Hoergeraete noch nicht gekauft hast, dann beschreibe bitte dem Akustiker deine Probleme so lange bis er sie behebt – kaufe nicht vorher! Schlimmstenfalls kannst du dann noch den Akustiker wechseln und einen finden, der vielleicht mehr misst.

    Hoffe dir ein wenig geholfen zu haben,
    Helga

  6. Hey,
    ja, das gibt es und nennt sich InSitu-Audiometrie (In Situation). Sollte eigentlich Standard bei jeder Anpassung sein, sofern die Software dies unterstützt. Das ist aber selbst bei günstigen Geräten oft bereits integriert.

    Viele Grüße (auch an dich Helga),
    Alex

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