Einblicke in die Arbeit einer Akustikerin
In diesem Blog geht es um Ohren – meistens aus meiner Sicht, der Sicht einer Schwerhörigen. In diesem Artikel beleuchte ich einmal die Arbeit derjenigen, die uns Schwerhörige mit Hörsystemen versorgen. Frau Ritter von der Hörwelt Jana Ritter hat mir in diesem Gespräch spannende Einblicke in den Alltag aus dem Hörakustik-Fachgeschäft gegeben.
Am Beispiel von Bianca, eine ihrer Kund*innen, haben wir über viele Aspekte der Hörsystemversorgung gesprochen. Lest weiter, wenn ihr wissen möchtet, was sie denkt zu den Themen Schwerhörige im Berufsleben, Kunden mit sportlichem oder musikalischen Ehrgeiz, und zur Vor- und Nachsorge bei der Anpassung von Hörsystemen.
Dieser Artikel wurde von der Hörwelt Jana Ritter gesponsert.
Ihr Weg in die Akustik war für Frau Ritter alles andere als geradlinig. Sie kam nach der Wende nach Westdeutschland, wo ihre Ausbildung als Krankenschwester nicht anerkannt wurde. Sie machte eine weitere Ausbildung zur Sprechstundenhilfe und arbeitete zunächst bei einem HNO-Arzt. Dieser arbeitete eng mit einem ortsansässigen Akustiker zusammen, welcher ihr Talent für die Versorgung von Schwerhörigen erkannte und sie einstellte. Um offiziell als Akustikerin zu arbeiten, machte sie über eine Sondergenehmigung gleich den Akustikermeister, was mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und mehreren Jahren Berufserfahrung und einigem zusätzlichen Büffeln möglich war. Das ist ein ungewöhnlicher Weg, denn die meisten Akustiker in Deutschland machen den Meister an der Akademie für Hörakustik in Lübeck.
Nach einigen Jahren als Angestellte in diversen Fachgeschäften, wurde ihr letzter Arbeitgeber von einer Kette aufgekauft. Das war ihr Impuls, sich 2017 selbstständig zu machen – die Hörwelt Jana Ritter entstand. Mittlerweile hat ihr Betrieb drei Filialen im Raum Konstanz, beschäftigt 11 Mitarbeiter und engagiert sich als Ausbildungsbetrieb.
Als Beispiel für eine ihrer Versorgungen hat mir Frau Ritter die Geschichte von Bianca erzählt. Bianca stellt sich in diesem Video auf Youtube selbst vor. Sie ist an Taubheit grenzend schwerhörig und mit Powersystemen versorgt. Meine erste Frage an Frau Ritter war daher, ob für Bianca nicht eigentlich auch Cochlea-Implantate in Frage kommen. Natürlich, bestätigt sie, allerdings ist Bianca wie man in dem Video sieht “nur” mit Hörgeräten sehr gut versorgt. So gut sogar, dass sie mit Dialekt spricht, obwohl sie schon in früher Kindheit schwerhörig wurde. In solchen Fällen ist es selten, dass Kinder in der Sprachentwicklung die Feinheiten von lokalen Dialekten aufnehmen. Insofern ist ein CI immer noch eine Option für Bianca, aber momentan schlichtweg nicht nötig. Neugierig frage ich, wie das denn als Akustikerin so ist, wenn man jemandem zu einem CI rät. Wenn sich die Kundin für ein solches entscheidet, verliert sie als Akustiker ja diese Kundin. Frau Ritter bestätigt, dass dies stimmt, aber es geht ihr darum, was das Beste für den Menschen ist. Das richtige zu tun ist wichtig und daher hat sie auch seit Jahren eine gute Kooperation mit einer Klinik die CIs implantiert.
Bianca ist mittlerweile eine junge Frau, die erfolgreich ins Berufsleben bei einer Behörde eingestiegen ist. Mich interessiert, wie sich dieser Lebensabschnitt auf die Hörsystemversorgung auswirkt. Frau Ritter bestätigt, dass schwerhörige Menschen im Berufsleben nochmal mehr Anforderungen an die Versorgung mit Hörsystemen stellen. Wichtig sind hier auch weitere Hilfsmittel, wie Tischmikrofone für Besprechungsräume und die Möglichkeit, die Hörsysteme mit Telefonsystemen zu verbinden. Letzteres ist ein gutes Stichwort. Seit es Hörgeräte mit Bluetooth gibt, ist es nicht mehr nur die Aufgabe von Akustiker*innen, den Kunden den Umgang mit den Hörgeräten zu vermitteln, zusätzlich müssen sie nun auch Probleme mit Bluetooth von diversen Mobiltelefonen lösen. Ich frage Frau Ritter, wie sie dafür sorgt, auch hier den Kunden helfen zu können. In ihren Fachgeschäften haben sie das Problem so gelöst, dass sich Mitarbeiter auf die verschiedenen Mobiltelefon-Betriebssysteme (Android und IOS) spezialisiert haben. So gibt es immer jemanden, der bei Bluetooth-Problemen helfen kann.
Die Anpassung von Hörsystemen ist nicht nur mit der Arbeit für den Akustiker verbunden. Viele Kunden unterschätzen es, dass auch ihre Mitarbeit gefragt ist, damit die Versorgung ein Erfolg wird und das Hörgerät nicht in der Schublade landet. Das ist vielen Menschen nicht klar und ich frage Frau Ritter, wie sie das Problem angeht. In Ihren Fachgeschäften wird begleitend zur Hörsystemversorgung ein Hörtraining angeboten. Bereits vor der ersten Anpassung trainieren Teilnehmende hier ihr Gehör, bzw. ihr Gehirn. Hören findet nicht nur in den Ohren statt, sondern das Gehirn muss mitarbeiten, damit es längst vergessene Geräuschsituationen wieder entziffern lernt. Hier ist das Training vorbereitend, aber auch nachbereitend, denn auch nach der Versorgung sollten die Kunden weiter trainieren, um das beste Ergebnis für ihren Hörsinn zu erreichen. Das Hörtraining wird leider bisher nicht von den Kassen erstattet. Die Hörwelt Jana Ritter rechnet die Kosten allerdings auf den Preis der Hörsysteme an, wenn das Training im Zusammenhang mit einem Kauf erfolgt.
Wie viele Kunden, die mitten im Leben stehen, hat auch Bianca spannende Hobbies. Sie fährt Rennrad auf Profi-Niveau. Ich frage Frau Ritter, ob sie bei der Hörsystemversorgung so etwas mit einbezieht. Ja klar, bestätigt sie. Was die Kunden im Leben tun, ist sehr wichtig. Nur wenn man das weiss, kann man das passende Hörsystem aussuchen. Für passionierte Radler sind Systeme mit guter Windgeräuschunterdrückung wichtig. Für Menschen, denen Musik am Herzen liegt, ist ein gutes Musikprogramm essentiell. Hier macht es sogar einen Unterschied, ob die Kunden selbst Musiker sind oder “nur” Musik hören. Nicht jedes Musikprogramm von jedem Hersteller ist für Menschen, die selbst Musik machen, geeignet.
Zum Abschluss möchte ich von Frau Ritter wissen, was sie denn zum Thema Sichtbarkeit von Hörgeräten denkt. Sie bestätigt meine Beobachtung, dass viele Hersteller nach wie vor damit werben, wie unsichtbar und diskret ihre Hörsysteme sind. Ihrer Meinung nach geht das daran vorbei, was die Kunden brauchen. Sie persönlich ermuntert ihre Kunden, ihre Geräte nicht nach (Un-)Sichtbarkeit auszusuchen, sondern das Gerät zu nehmen, was ihre Hörprobleme am besten löst. Dazu fordert sie sie auf, selbstbewusst mit ihren Hörsystemen zu sein. “Eine Brille ist Ihnen doch auch nicht peinlich”, sagt sie dann immer.
Ich bedanke mich bei Frau Ritter für dieses Interview.